Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stade feuern drei Polizisten 13 Schüsse auf Kamal Ibrahim ab, der in der Gemeinschaftsunterkunft in Harsefeld psychisch instabil und alkoholisiert einen Polizisten mit einem Messer bedroht habe. 11 Schüsse treffen Kamal Ibrahim. Eine Kugel hätte fast einen unbeteiligten Nachbarn in seinem Zimmer getroffen.

Wie im Fall von Aman Alizada, der vor zweieinhalb Jahren in Bützfleth ebenfalls von der Polizei erschossen wurde, hat heute die Staatsanwaltschaft Stade auch das aktuelle Verfahren gegen die Polizisten, die Kamal Ibrahim erschossen haben, eingestellt.

Was bleibt festzustellen?

  1. Die Staatsanwaltschaft hat offensichtlich kein Interesse an transparenten gerichtlichen Verfahren. Mit dem Etikett Notwehr wird jeglicher Versuch, Licht in die Vorgänge zu bringen, abgeblockt. Es wird damit auch der Weg verschlossen, über ein Gerichtsverfahren der Polizei aus ihrer Sackgasse zu helfen und andere Handlungsoptionen in Betracht zu ziehen.
  2. In beiden Fällen war der Polizei bekannt, dass die erschossenen Männer sich in psychischen Ausnahmensituationen befanden.
  3. In beiden Fällen hat diese Erkenntnis keinerlei Auswirkungen auf die Planung oder den Ablauf des Einsatzes. Das Schema: eingehender Anruf, ausrücken, ansprechen des sich in der Ausnahmesituation befindlichen Menschen, beide Male und nicht untypisch, ohne den Menschen zu erreichen, androhen des Waffeneinsatzes, schießen und erschießen.

Die Schlussfolgerung kann nur sein,

  • solange die Polizei dieses Schema als Handlungsgrundlage beibehält und unter dem Druck des Ausbildungslehrsatzes steht, „die Situation beenden zu müssen“,
  • solange sie nicht über weitere Handlungsoptionen der Deeskalation (z.B. Polizeipsychologen in erreichbarer Nähe) oder über Mittel für den persönlichen Schutz wie z.B. Schutzschilde verfügt,
  • solange kann Betroffen nur geraten werden: Rufen Sie nicht die Polizei, wenn Sie sich von Ihrem Mitbewohner oder Nachbarn, der sich in einer psychischen Krise befindet, bedroht fühlen. Verlassen Sie die Unterkunft. Schlafen Sie notfalls außerhalb bei Bekannten.
  • Rufen Sie – tagsüber – den sozialpsychiatrischen Notdienst an (nachts ist niemand erreichbar).

Es macht betroffen und ist nicht zu akzeptieren, dass in Niedersachsen nach einer Vielzahl von solchen Einsätzen mit tödlichem Ausgang anscheinend keinerlei Konsequenzen auf Landes- oder lokaler Ebene gezogen werden und dass die Staatsanwaltschaft immer noch glaubt, der Polizei einen Dienst zu erweisen, wenn sie die öffentliche Aufklärung vor Gerichten verhindert.