Liebe Menschen,

jetzt ist es knapp einen Monat her seit dem gewaltsamen Tod von Aman A. Er wurde am 17.8. bei einem Polizeieinsatz in der Bützflether Unterkunft erschossen. Für diejenigen, die dies nicht in der Presse verfolgt haben, hier zwei ( Artikel 1, Artikel 2 ) Artikel, die direkt danach informierten.

Wir sind sehr betroffen und dringen auf eine vollständige Aufklärung des Geschehens. Es stellen sich aus unserer Sicht viele offene Fragen; auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen begleitet die Aufklärung wachsam.

Kurz nach dem Geschehen hat sich auf Initiative von ehemaligen Betreuerinnen eine Gruppe gebildet, die eine Trauerfeier für Aman A. gestalten wollen. Dies ist gerade für die vielen anderen jungen Flüchtlinge, die Aman A. kannten, sehr wichtig, weil sie zutiefst traurig, betroffen, verunsichert und voll Angst sind. Leider gestaltet sich die Vorbereitung der Trauerfeier bisher sehr schwierig, weil bisher alle Bitten um einen entsprechenden Raum in Stade abgewiesen wurden.

Gestern ist ein Artikel im Buxtehuder Tageblatt mit der Stellungnahme des Flüchtlingsrats und unserer Presseerklärung erschienen, den ihr hier finden könnt.

Zur Aufklärung, wie es konkret zu dem Todesschuss kommen konnte, schreibt eines unserer Mitglieder:

„Als ehemaliger Polizist bin ich um den Ruf der Polizei als wichtigem Bestandteil unserer rechtsstaatlichen Ordnung besorgt. Im vorliegenden Fall geht es

  1. um die Aufklärung des Einsatzes, bei dem möglicherweise Fehler gemacht wurden und darum, wie die Staatsanwaltschaft und deren Hilfsbeamte (die Polizei) damit umgehen.
  2. um die Polizei insgesamt als ‚Freund und Helfer‘ und verlässliche Organisation zur Wahrung der Sicherheit und Ordnung und zur Bekämpfung und Aufklärung von Straftaten.

Ich fürchte, das Verhalten von Staatsanwaltschaft und Polizei im Zusammenhang mit dem Einsatz (1.) könnte das Vertrauen und das Ansehen der Polizei insgesamt (2.) beschädigen. Fehler in Einsätzen können vorkommen. Die Beamten sind auch nur Menschen. Unsere Behörden dürfen aber nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass sie solche Fehler vertuschen. Sie müssen gründlich und zügig jegliches Fehlverhalten – ob von Bürgern oder Polizisten im Dienst – aufklären, damit die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden können. Ich habe mich an die Polizeiinspektion Stade gewandt mit der Bitte, vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen. Das wurde abgelehnt.

Hinsichtlich des Einsatzes frage ich mich,

  1. warum die Aufklärung voraussichtlich Monate dauern soll. Es sind doch alle direkt und indirekt beteiligten Personen bekannt. Die dürften alle vernommen worden sein. Der Getötete ist obduziert und schon beerdigt. Was bitte dauert Monate?
  2. ob nicht auch eine andere Staatsanwaltschaft als die Stader ermitteln sollte. Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens nicht die Polizei. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Cuxhavener Polizei für die Staatsanwaltschaft Stade ermittelt. Die Staatsanwaltschaft entscheidet, wo nachgebohrt wird und wo nicht. Die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten der Polizeiinspektion Stade sind Hilfsbeamte der ermittelnden Staatsanwaltschaft Stade. Wenn Befangenheit der Ermittlungsbehörden nicht ausgeschlossen werden kann, sollte dann nicht auch eine andere Staatsanwaltschaft ermitteln?“*

Als weitere wichtige Frage an den Landkreis erscheint uns, wie mit den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen umgegangen wird, wenn sie 18 werden. Nach unseren Informationen werden sie im Landkreis Stade in aller Regel (wie auch im Fall von Aman A.) dann aus der Jugendhilfe herausgenommen und nach Erwachsenenrecht behandelt. . Diese Menschen werden dann aus der Jugendunterkunft rausgesetzt; und dies, obwohl die häufig traumatisierten jungen Männer noch dringend Unterstützung/Begleitung brauchen.

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete (sog. UMF) werden in Deutschland im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht und betreut. Diese ist bei Bedarf bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres für die jungen Menschen laut Gesetz zuständig. Bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres besteht sogar ein sog. Regelanspruch auf Unterstützung! Nach Information des Niedersächsischen Flüchtlingsrats wird in den meisten anderen Landkreisen in Niedersachsen bei Bedarf (und der ist bei diesen Jung-Volljährigen sehr häufig gegeben) die Unterstützung entsprechend länger gegeben und damit dann auch die Wahrscheinlichkeit für eine gute dauerhafte Integration erhöht. Aus unserer Sicht wäre die Verbesserung bzw. Verlängerung der Betreuung (einschließlich des Zugangs zu Therapie) eine zentrale Schlussfolgerung aus dem Vorfall auf Kreisebene.